Schlingnatter, die elegante Unbekannte

Nicht alltäglich ist die Begegnung mit einer Schlingnatter. Die zierliche, graubraune Schlange lebt verborgen und bleibt trotz ihrer weiten Verbreitung meistens die „elegante Unbekannte“. Mit 70 Zentimetern ist die auch als Glattnatter bekannte Schlange eher kurz. Sie wird wegen ihrer dunklen Rückenflecken oft für eine Kreuzotter gehalten, ist jedoch ungiftig und völlig harmlos. Zur sicheren Unterscheidung schaut man ihr in die Augen: Schlingnattern haben runde, Kreuzottern senkrecht geschlitzte Pupillen. Schlingnattern ernähren sich von Eidechsen, Blindschleichen und Mäusen, die sie mit den Zähnen packen, mit ihrem Körper umschlingen und ersticken und mit weit geöffnetem Maul verschlingen.

 

Schlingnattern brauchen wärmende Sonne und kühle Verstecke. Sie bewohnen gerne kleinräumig gegliederte Landschaften, die reich an Strukturen sind: Warme Felsen, Steine und Totholz sowie Verstecke in Gebüschen und Wald. Deshalb sind die wärmeliebenden Schlingnattern typische Bewohner des Strombergs mit seinen Magerrasen und Weinbergen. Von Oktober bis April halten die Nattern Winterruhe in Erdlöchern und Felsspalten. Im April und Mai ist Paarungszeit. Die Weibchen pflanzen sich alle ein bis zwei Jahre fort und bringen im August/ September lebende Jungschlangen zur Welt.

 

Die ortstreuen Schlingnattern sind durch Lebensraumzerstörung, Flächenverlust und Verinselung der Populationen bedroht. Da Baden-Württemberg ein Schwerpunktvorkommen ist, tragen wir besondere Verantwortung für dieses bundesweit gefährdete Kriechtier. Schlingnattern profitieren von abwechslungsreichen, unverbauten Landschaften, Weinbergen mit Brachen und unverfugten Trockenmauern sowie Randstreifen, Gräben und Böschungen, die nur im Winter gemäht werden. Letztere sind wichtige Rückzugsorte und Ausbreitungskorridore. Schlingnattern wie Kreuzottern sind streng geschützt und dürfen weder gefangen noch aus unbegründeter Angst erschlagen werden. Das Foto entstand am westlichen Stromberg und zeigt die schlanke Schlange in voller Länge beim Überqueren eines Weges, bevor sie wieder in der Vegetation am Wegrand verschwand.

 

Dr. Stefan Bosch