Nieswurz - Frühblüher mit Blütenheizung

Lange vor den Schneeglöckchen, Veilchen, Primeln und Leberblümchen trifft man in unseren Wäldern oft noch bei Frost und Schnee auf eine hellgrüne Pflanze, die zwischen Januar und März blüht, die Stinkende Nieswurz (Helleborus foetidus). Der 30 bis 60 Zentimeter hohe immergrüne, mit der Christrose verwandte Halbstrauch wächst gerne im Halbschatten und oft zu mehreren auf kalkhaltigen, stickstoffarmen Böden in Wäldern, Gebüschen und an Wald- und Straßenrändern.

 

Um Hummeln und Pelzbienen zur Bestäubung anzulocken, bedient sich die Nieswurz eines Tricks: Sie blüht vor den meisten anderen Pflanzen bei noch niedrigen Lufttemperaturen. Um dennoch für Insekten attraktiv zu sein erwärmt sie ihre kleinen, bodenwärts nickenden becherförmigen Blüten mit einer speziellen Blütenheizung um mehrere Grad Celsius über der Umgebungstemperatur. Dazu wandeln Hefepilze in der Blüte einen Teil des Nektars in Wärme um, die die Insekten anlockt und den Blütenduft verbreiten hilft. Aber wozu der ganze Aufwand? Ziel des „Frühblühens mit Heizung“ ist die termingerechte Samenreife im April. Dann fallen die Samen aus den Blütenkapseln zu Boden, genau zur Hauptsammelzeit mehrerer Ameisenarten, die für die Samenverbreitung sorgen. Um die Ameisen als Samentransporteure zu gewinnen, hängt jedem Samenkorn ein kleines, nahrhaftes „Leckerli“ als Gegenleistung für die Samenboten an.

 

Die Nieswurz ist ein anschauliches Beispiel für die oft sehr komplexen Abhängigkeiten in der Natur, die beim Natur- und Artenschutz mitbedacht werden müssen. Nur im ungestörten Zusammenspiel der Pflanze mit ihren Bestäubern und Samenverbreitern funktioniert dieses System.

 

Dr. Stefan Bosch