Jede Blüte zählt: Weniger mähen, mehr Artenvielfalt

Ausgerechnet aus dem Land des makellosen englischen Rasens stammt die Idee des „mähfreien Mai“. Einfach den Mäher stehen lassen und den Pflanzen beim Wachsen und Blühen zusehen! Bewusst seltener zu mähen, ist kein Zeichen von Verwahrlosung, sondern zeugt von ökologischem Bewusstsein. Denn weniger ist mehr: Selteneres Mähen erhöht die Artenvielfalt. Auf seltener gemähten Grünflächen summen nachweislich mehr Bienen und Hummeln und die Nektarmenge kann um das Zehnfache erhöht werden. Die Blüten besuchen Wild- und Honigbienen, Hummeln, Schwebfliegen und Schmetterlinge, die Samen der Gräser und Kräuter fressen Grünfink, Distelfink, Girlitz, Gimpel und Bluthänfling. Ihre Jungen im Nest benötigen neben Insekten zwingend auch diese Sämereien. Ein bekanntes Beispiel ist der Löwenzahn: Die gelben Blüten locken Insekten, die Samen der Pusteblumen sind Grundnahrung des Distelfinken und seiner Küken.

 

Oft entsteht in Nachbarschaften sozialer Druck, „ordentlich“ zu sein und dann wird im Mai jede Woche bis zu zwei Mal und mehr gemäht. Aber im Einheitsgrün blüht und summt es nicht. Verlängert man jedoch die Mähintervalle, entstehen artenreiche Kräuterwiesen. Je seltener gemäht wird, umso besser. Monatliche Mahd im Hausgarten erzielt die höchste Blütendichte mit Gänseblümchen, Günsel und Klee. Eine Kürzung auf fünf bis zehn Zentimeter regt zu erneuter Blüte an. Wird nur ein bis zwei Mal im Jahr gemäht, haben Gräser und Wiesenblumen wie Margeriten, Wiesensalbei und Wilde Möhre eine Chance. Will man auf das Mähen bzw. den Mähroboter nicht verzichten, können zumindest kleine Blühinseln stehen bleiben. Schnittgut sollte nicht liegen bleiben, sondern kompostiert oder als Mulch genutzt werden. So wird die Wiese magerer, artenreicher und schöner. Da Grünflächen in Privatgärten einen hohen Flächenanteil haben, steht hier ein großes Potenzial zur Verfügung. Der Appell der „NoMowMay“-Bewegung wendet sich aber auch an Kommunen. Wird auf öffentlichen Grünflächen, an Böschungen, Weg- und Straßenrändern weniger gemäht, spart das Kosten und fördert im Gegensatz zur aufwändigen Blühstreifen-Anlage einfach durch Weniger-tun die Artenvielfalt.

 

Dr. Stefan Bosch