PM des NABU Baden-Württemberg

Verschwundene Vögel?

NABU: „Vogelmangel“ hat vielschichtige Ursachen / aktuell kein Grund zur Sorge

 

Stuttgart – In den letzten Wochen erreichen den NABU Baden-Württemberg aus vielen Regionen im Land besorgte Anfragen, weil vor allem typische Gartenvogel- arten wie Meisen, Finken und Amseln verschwunden seien. „In der Tat sind derzeit relativ wenige Vögel zu sehen“, sagt NABU-Vogelexperte Stefan Bosch. „Eine einfache, schlüssige Erklärung für dieses Phänomen haben die wenigsten Fach- leute parat. Die Einflüsse auf Vogelbestände sind vielfältig und komplex.“ Derzeit gibt es offenbar keinen Grund zur Sorge. Man geht von drei Ursachen des aktu- ellen „Vogelmangels“ aus: die vergleichsweise milde Witterung, noch ausstehende Wintergäste und die Folgen einer schlechten Brutsaison 2016.

 

Solange Eis und Schnee ausbleiben, finden viele Vogelarten ausreichend Nahrung und sind nicht gezwungen, Futterhäuschen in Gärten aufzusuchen. Zudem sind viele Wintergäste, die sonst in großer Zahl unsere Gärten und Wälder bevölkern, noch nicht eingetroffen. Dazu gehören zum Beispiel nordische Kohlmeisen, Gimpel, Buch- und Bergfinken. Die Hauptursache für den „Vogelmangel“ sieht die Fachwelt in einem schlechten Brutergebnis mit weniger überlebenden Nachkommen als in anderen Jahren. „Gerade Arten, die wir am Futterhaus erwarten, scheinen dieses Jahr weniger Nachwuchs durchbekommen zu haben“, sagt Bosch. Belastbare Daten fehlen. Aber die Hinweise mehren sich, dass viele Bruten in Baumhöhlen und Nistkästen nicht ausgeflogen sind.

 

Bei der Erklärung des schlechten Brutergebnisses dürfte die nasskalte Witterung im Frühjahr eine wichtige Rolle spielen. Hinzu kommen weitere Faktoren wie die zu- nehmend monotone Landschaft oder Pestizide wie Neonicotinoide, die die Lebens- und Ernährungsbedingungen von Wildvögeln dramatisch verschlechtern. Gerade der auffällige Mangel an Fluginsekten kann vielen Vogelarten besonders in kriti- schen Phasen wie einem nasskalten Frühjahr zusätzliche Nachteile bringen. „Nahezu alle Singvögel sind in der Fortpflanzungsphase auf Insektennahrung angewiesen“, erläutert Bosch.

 

Infektionskrankheiten dürften für den „Vogelmangel“ nur eine untergeordnete Rolle spielen. „Der Ausbruch des Usutu-Virus im Spätsommer hat allenfalls lokal die Amselbestände reduziert“, ist die Einschätzung des NABU-Vogelfachmanns. Eben- falls lokale Auswirkungen hat ein Erreger, der das Finkensterben vor allem bei Grünfinken verursacht. Die Vogelgrippe scheidet bei Gartenvögeln als Ursache weitgehend aus.

 

„Wir verfolgen die Entwicklung weiterhin kritisch. Und wir sind gespannt auf die Ergebnisse der großen Gartenvogelzählungen Anfang Januar“, betont Bosch.

 

Tipp: NABU-Mitmachaktion „Stunde der Wintervögel“ (6.-8.1.2017)

 

Vom 6. bis 8. Januar 2017 findet die siebte „Stunde der Wintervögel“ statt. Der NABU lädt alle Naturfreundinnen und Naturfreunde ein, eine Stunde lang die Vögel am Futterhäuschen, im Garten, auf dem Balkon oder im Park zu zählen. Wer möch- te, kann sich vorher über die heimische Vogelwelt informieren und sich mit der praktischen NABU-Zählhilfe ausstatten, die es im Internet unter www.stundederwintervoegel.de gibt.

 

Die Zahlen trägt man in ein praktisches Online-Formular ein. Alternativ kann man sie am 7. und 8. Januar zwischen 10 und 18 Uhr auch unter der kostenlosen Rufnummer 0800.115 71 15 durchgeben. Unter den freiwilligen Zählerinnen und Zählern werden hochwertige Preise verlost – vom Fernglas über Bücher und Vogelnistkästen bis hin zu Ikea-Gutscheinen.

 

Die „Stunde der Wintervögel“ ist die größte wissenschaftliche Mitmachaktion Deutschlands. Ziel ist, dass möglichst viele Menschen Daten sammeln. Daraus können Fachleute wichtige Informationen zur Entwicklung der heimischen Vogelbestände ableiten. So liefert die Langzeitstudie wertvolle Hinweise zum Schutz der Artenvielfalt.

 

Weitere Informationen zur Aktion: www.stundederwintervoegel.de

 

Pressebilder: www.NABU.de/presse/fotos/#stundederwintervoegel