Hirschkäfer - Platz für die Giganten unter den Krabblern

NABU und Bauhof packen gemeinsam an: exklusive Brutplätze für Hirschkäfer bei Bretten

Bretten. Die Kombination scheint schwierig: einerseits anspruchsvoll, andererseits langsam. Hirschkäferweibchen wünschen aber nun mal Eichenholz, um ihre Eier abzulegen. Und dann dauert es bis zu acht Jahre, bevor die Käfer den Kokon verlassen. Sie werden rund acht Zentimeter groß, die Weibchen circa sechs. Heute aber sind die Bedingungen in bewirtschafteten Wäldern selten optimal für diese Käfer-Art, die zu den größten in Mitteleuropa zählt. Darum hat der Naturschutzbund (NABU) Bretten viele Wochen investiert, um sogenannte Hirschkäfermeiler im „Jeremias“ zu errichten.

 

Die exklusiven Brutplätze in Eichenmulm zu schaffen, erforderte einige harte Arbeit. Teilweise half der Bauhof mit schwerem Gerät. Dafür sei er immer dankbar, sagt Gerhard Fritz, der zweite Vorsitzende des NABU Bretten. Er zeichnet für das Gelände zwischen Sprantal und Dürrenbüchig inmitten lichten Waldes verantwortlich, auf dem die Naturfreunde schon einige Biotope schufen.

 

Anfang September 2020 baggerte Reinhard Pusch im „Jeremias“ zwei Erdmulden aus. Ein paar Wochen später rückte Sebastian Gerweck vom Bauhof an, um ein rundes Dutzend mächtiger Abschnitte aus alten Eichenstämmen mit dem Greifarm seines Lasters von dessen Ladefläche in die Mulden zu bugsieren. Sie hatten schon länger am Wegesrand gelegen. Zwei Stunden brauchte Gerweck, bis die meterlangen Stücke der Stämme senkrecht und wunschgemäß recht eng beieinanderstanden. Gerhard Fritz wagte sich ab und an mit in die Mulde, um dafür die Erde mit dem Rechen zu ebnen. Dann wurden dicke Eichenäste senkrecht dazwischen und darum herum gestellt.

 

Grund der aufrechten Platzierung ist, dass Pilze und Mikroorganismen eine große Oberfläche zügiger zersetzen können. Mit Eichenrindenstücken füllten die NABU-Mitglieder größere Lücken und mit Eichen-Hackschnitzeln und Sägemehl wird der Meiler schließlich in Handarbeit mit Schaufeln richtiggehend zugeschüttet – nun ist er quasi bezugsbereit. Auf ein sonniges Plätzchen ist zu achten, denn dann beginnt der Zersetzungsprozess schneller. Das sorge auch für ein ausgeglichenes Klima, so Diernberger. Genügend Feuchte im Inneren des Hirschkäfermeilers biete optimale Bedingungen für Insektenlarven. Wichtig sei schließlich auch, den Hirschkäfermeiler mittels Zaun vor Plünderung durch Wildschweine zu schützen.

 

Wurden Hirschkäfer im Umkreis von etwa drei Kilometern beobachtet, sei eine Besiedlung durch die prachtvollen Tiere recht wahrscheinlich, so Diernberger. Über die Jahre müsse der Hirschkäfermeiler aber immer mal mit Eichenholz, Sägemehl und Hackschnitzeln nachgefüttert werden. Ansonsten bleibe am Ende nur bester Humus übrig. Ein Hirschkäfer werde den Meiler aber nicht mehr nutzen.

 

Nach etwa 14 Tagen schlüpfen die Larven. Sie häuten sich zweimal und erreichen eine Länge von zehn bis zwölf Zentimetern. Sie ernähren sich von feuchtem und verpilztem Holz. Nach bis zu acht Jahren bauen sich die Larven in 15 bis 20 Zentimeter Tiefe aus Erde und Mulm ihren Kokon, oval und etwa faustgroß. Nach Wochen der Verpuppung schlüpfen die Käfer, bleiben aber den Winter über noch im Boden.

 

Verlassen sie dann den Meiler im Mai oder Juni, dienen ihnen Saftaustritte an alten Eichen als Nahrung. Darum sollten solche am Standort vorhanden sein. „Hier versammeln sich die Hirschkäfer, finden Nahrung und am Ende ihre Partner“, sagt Bernd Diernberger. Ihr Geweih brauchen die größeren Männchen nur bei Rivalenkämpfen und zum Festhalten der Weibchen bei der Paarung.

 

Obendrein ist ein Hirschkäfermeiler nicht nur Lebensraum für diese Krabbler. An dem seltenen Lebensraum Totholz mangele es überall, so Diernberger. Darum mache es akut Sinn, sich damit zu beschäftigen. Neben Hirschkäfern nutzen solche Meiler auch andere Insekten, Kleintiere und Vögel. Sie alle finden hier Nahrung und Unterschlupf.

 

Diernberger wirbt dafür, solche Projekte umzusetzen für Artenvielfalt und Artenschutz. Vor allem für Kommunen, Forstbetriebe und Landwirte sei das kein Problem. Ihn und seine Nabu-Freunde würde es ohnehin „wahnsinnig freuen, wenn mehr und mehr Totholzgärten im öffentlichen Grün entstehen“.

 

Hintergrund

 

Der Hirschkäfer ist laut NABU besonders geschützt und selten. Wie fast alle Insektenarten leide auch er unter der Zerstörung seiner natürlichen Lebensräume. Hier sei es insbesondere die intensive Forstwirtschaft, die in Lebensräume der Hirschkäfer eingreife: Es gebe kaum Totholz, dafür schnelle Umtrieb-Zeiten, für Hirschkäfer meist ungeeignete Baumarten und einen zu hohen Bestand an Wildschweinen. „Ohne Eichen keine Hirschkäfer“, formuliert Bernd Diernberger vom NABU Bretten.

Die Larven wachsen im Mulm sich zersetzender Eichen heran, erläutert er. „Und die erwachsenen Tiere benötigen den Saft der Eichen.“ Um Hirschkäfern effektiv zu helfen, ist das Vorhandensein alter Eichen und genügend Eichentotholz ein absolutes Muss. Totholz gebe es aber im aufgeräumten Forst wenig, alte Eichen häufiger. „Darum müssen wir zuerst dafür sorgen, dass genügend Eichen-Totholz vorhanden ist“, sagt Diernberger.  

 

Autor: Irmeli Thienes, BNN, Badische Neueste Nachrichten, am 30. November 2020

 

Geschafft: Gerhard Fritz, der vor seinem Hirschkäferbrutplatz Bild: Irmeli Thienes
Geschafft: Gerhard Fritz, der vor seinem Hirschkäferbrutplatz Bild: Irmeli Thienes
Totholz fürs Leben: Hirschkäfer legen ihre Eier in Eichen-Totholz. Der Nabu hat mithilfe des Bauhofs zwei Kinderstuben für Käfer angelegt. Mitarbeiter Sebastian Gerweck dirigiert die Eichenholzstämme an ihren Platz  Bild: Irmeli Thienes
Totholz fürs Leben: Hirschkäfer legen ihre Eier in Eichen-Totholz. Der Nabu hat mithilfe des Bauhofs zwei Kinderstuben für Käfer angelegt. Mitarbeiter Sebastian Gerweck dirigiert die Eichenholzstämme an ihren Platz Bild: Irmeli Thienes